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[thinking] Strichpunkt statt Punkt

Es gibt Dinge, die liegen schon Jahre zurück und trotzdem zerbricht man sich immer wieder den Kopf darüber. Erst neulich lag ich nachts mal wieder stundenlang wach, weil meine Gedanken sich einfach nicht abstellen ließen. Jetzt muss ich sie einfach irgendwo schriftlich festhalten, in der Hoffnung, dass mein Kopf wieder klar wird. Ich habe die Befürchtung, das wird hier jetzt ein bisschen gefühlsduselig – wer darauf keinen Bock hat, stopp, nicht weiterlesen und auf den nächsten Post warten!

Vor mittlerweile gut fünf Jahren hatten wir von der Schule aus einen Tanzkurs und in den paar Wochen habe ich mich richtig gut gefühlt. Rückblickend betrachtet, hatte es sogar etwas märchenhaftes. Es gab einen Jungen aus der Parallelklasse, mit dem ich relativ oft getanzt habe und von dem ich mich auch problemlos führen ließ (was bei mir nicht selbstverständlich ist *hust*). Ich habe mich immer mehr auf die nächste Tanzstunde gefreut und er hat mich relativ schnell gefragt, ob wir zusammen auf den Tanzkurs-Abschlussball gehen – viele andere hatten erst einen Partner, als es von den Lehrern aus hieß, dass man sich in eine Liste eintragen musste. Unser erstes Date hatten wir auch noch vor dem Tanzball und ich hatte quasi ein Dauergrinsen im Gesicht, wenn ich mit ihm geschrieben habe. Auf dem Ball selbst gab es auch einen wunderschönen Moment, als wir zusammen draußen standen und in den Sternenhimmel geguckt haben. Im Film wäre das wahrscheinlich der Moment des ersten Kusses gewesen, aber dazu ist es nie gekommen. Es kamen die Sommerferien, in denen wir uns noch einmal getroffen haben, er hatte mir sogar einen Schlüsselanhänger aus Cambridge, wo er in einem Sprachurlaub war, mitgebracht. Im Grunde schien alles perfekt. Ich weiß nicht, ob ich wirklich in ihn verliebt war, aber ich war auf jeden Fall auf dem besten Weg dorthin. Meine Freundinnen haben mich auf jeden Fall schon mit Freund gesehen.

Aber dann ist der Kontakt einfach abgebrochen und ich weiß bis heute nicht, warum. Und genau das ist der Grund, warum ich bis heute nicht richtig mit dem Thema abgeschlossen habe, glaube ich. Es ist wie ein Punkt, der sich aber eher wie ein Strichpunkt anfühlt. Irgendein Nachsatz, eine Erklärung fehlt noch. Zum Teil ist es garantiert auch meine Schuld, dass es so abrupt aufgehört hat. Ich habe darauf gewartet, dass er sich nach dem zweiten Date melden würde, weil er dem Chatverlauf zufolge an der Reihe war (was für ein dummer Teenie-Gedanke). Irgendwann ist zu viel Zeit verstrichen und ich habe mich nicht mehr getraut, ihm zu schreiben. Und dann hat das nächste Schuljahr begonnen. In der elften Klasse hatten wir keine festen Klassen mehr, sondern Kurse. Und in meinem Englischkurs war er auch. Erst habe ich mich noch gefreut, hatte gehofft, dass wir uns einfach danach über unsere restlichen Ferien unterhalten könnten oder so. Als er ins Klassenzimmer gekommen ist, habe ich ihn angelächelt und ganz einfach „Hi“ gesagt. Aber von ihm kam nichts. Das hat mich fast noch mehr verletzt, als der plötzliche Kontaktabbruch. Es war auf einmal, als hätten wir uns gar nicht gekannt. Meine Freundinnen, die natürlich gemerkt haben, dass ich darüber ziemlich traurig war, haben ihn für mich gehasst. Denn genau das kann ich bis heute nicht. Ich war enttäuscht und verletzt, aber Hass hatte da keinen Platz. Schließlich habe ich mich selbst immer gefragt, ob alles anders gekommen wäre, hätte ich ihm einfach von mir aus geschrieben.

Im Laufe der Jahre ist dieses Erlebnis immer weiter in den Hintergrund gerutscht und bis vor einem Jahr hätte ich geschworen, dass ich darüber hinweg sei und mich nicht mehr daran störte. Aber dann haben wir uns auf dem Brauereifest, das bei uns eine ziemlich große Sache ist, wiedergesehen. Er kam zu dem Tisch, an dem ich mit einer Freundin saß, und hat sich kurz mit mir unterhalten, als sei nie etwas gewesen. Am Ende meinte er sogar, es sei schön gewesen, mich mal wieder gesehen zu haben. Der Alkohol hat mit Sicherheit seine Rolle gespielt, dass wir miteinander geredet haben. Allerdings hat mich dieses kurze Gespräch (im Bierzelt war es zudem ziemlich laut, sodass man eh nicht soo gut reden konnte) ziemlich verwirrt. Seitdem gibt es immer wieder mal Phasen, in denen ich alles, was passiert ist, Revue passieren lasse und zu analysieren versuche. Genau jetzt – da das Brauereifest kurz bevor steht – frage ich mich wieder, was gewesen wäre, wenn wir irgendwas anders gemacht hätten. Und fast hoffe ich sogar, dass wir uns dieses Jahr wieder auf dem Fest über den Weg laufen und ich vielleicht die Chance bekomme, ihn nach seiner Einschätzung der Geschichte zu fragen. Damit endlich ein richtiger Punkt dahinter gesetzt werden und ich endgültig damit abschließen kann.

[quickie] „Stell dir vor, dass ich dich liebe“ von Jennifer Niven

bewertung2

Leute wiederzuerkennen ist wie eine Superkraft, die alle haben außer mir.

Schon Jennifer Nivens ersten Roman „All die verdammt perfekten Tage“ fand ich grandios und empfehle es gerne Kunden, die ein etwas melancholisches, aber dennoch aufheiterndes Buch lesen wollen und sich mit einem etwas untypischen Ende anfreunden können.
Auch von „Stell dir vor, dass ich dich liebe“ war ich echt begeistert. Wieder hat Niven eine ernste Thematik gewählt – Prosopagnosie (= Gesichtsblindheit), Fettleibigkeit mit deren psychischen und physischen Konsequenzen und den Umgang mit Vorurteilen. Das Ganze ist in die besondere Geschichte von Jack und Libby eingebaut, was das Buch wahnsinnig interessant und spannend macht. Ich wollte es gar nicht mehr aus der Hand legen!

„Stell dir vor, dass ich dich liebe“ ist ein Buch über die Suche nach dem eigenen Selbst in einer Welt, in der man sich (vor allem als Jugendlicher) stark von anderen beeinflussen lässt und einfach „normal“ sein möchte. Doch manchmal ist es gar nicht so falsch, etwas anders, dafür aber glücklich zu sein! Und man sollte sich stets bewusst sein, dass es immer irgendwo jemanden gibt, der einen so akzeptiert, versteht und liebt, wie man ist.